Klimainitiativen

Ein Taunus-Dorf wird klimaneutral


Als „Basisjahr“, in dem die Entwicklung ihren Anfang nahm, gilt 2015. Heute, kaum sechs Jahre später zählt die 300-Einwohner-Gemeinde Strüth im Taunus zu den Vorzeige-Kommunen im Land, was praktizierten Klimaschutz angeht. Vier Elektroautos werden als Carsharing-Angebot von dort aus betrieben, es gibt eine solar gespeiste Pkw-Ladestation und einen kostenlosen Bürger-Fahrdienst, Photovoltaik liefert Strom von kommunalen wie vielen privaten Dächern und aktuell geht es an die Verbesserung des Radwegenetzes.

Ausgangspunkt war die vom Gemeinderat gewünschte Umstellung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende LED-Technik, erinnert sich Klaus Steinbeck, der seit mehr als 20 Jahren und bis heute im Rat aktiv ist. Man gründete einen Umwelt- und Energieausschuss, der auch den ersten Umwelttag noch im Jahr 2015 organisierte (weitere stark frequentierte Umwelttage folgten alljährlich bis 2019, dann kam die Pandemie). Bereits im März 2016 gründete sich die Energiegenossenschaft Oberes Mühlbachtal, kurz EGOM, hervorgegangen aus der Ortsgemeinde, die selbstverständlich auch Mitglied ist. So wie inzwischen auch die Verbandsgemeinde Nastätten – und sogar der Landkreis Rhein-Lahn macht mit.

Bis 2030 will das Dorf Strüth klimaneutral sein, berichtet Ortsbürgermeister Heiko Koch, auch er von Beginn an eine treibende Kraft hinter den kommunalen Klimaschutz-Bestrebungen. „Energie da erzeugen, wo sie gebraucht wird“, war und ist ein Leitmotiv, das heute auch Teil des EGOM-Logos ist. In diesen Kontext gehört das aktuell diskutierte Projekt einer Freiflächen-Photovoltaik-Anlage, die gemeinsam mit PIONEXT (einer gemeinsamen Gesellschaft der Mainzer Stadtwerke, EWR AG und der Pfalzwerke AG) in der Gemarkung des Nachbardorfes Lipporn auf zehn Hektar Fläche entstehen soll.

Sonnenenergie steht weiterhin im Zentrum der Strüther Aktivitäten. Nachdem 2016/17 die erste PV-Anlage aufs Dach vom Bürgerhaus kam – ergänzt um eine Ladesäule und finanziert über das „LEADER“-Programm – ging die Genossenschaft dazu über, Photovoltaik zu installieren auf Privathäusern, deren Eigentümer die Dächer selbst nicht nutzen wollen. EGOM übernimmt dann kostenfrei die Dachfläche, liefert im Gegenzug 20 und mehr Jahre lang Strom zum Festpreis von 25 Cent an die Eigentümer des Hauses.

Von Erfahrungen anderer gelernt

Bei ihrem Genossenschaftsmodell haben die Strüther übrigens von bereits bestehenden Vorbildern gelernt: der „Rabenkopf“-Initiative Wackernheim im Landkreis Mainz-Bingen. Und ihre eigenen Erfahrungen haben die Genossen von Strüth später weitergegeben können – etwa nach Monzelfeld an der Mosel, wo die „Energiewende Hunsrück-Mosel e.G.“ inzwischen ihrerseits Carsharing und Elektromobilität anbietet.

Aus dem ersten elektrischen Renault Zoe der EGOM-Genossenschaft sind mittlerweile vier geworden; sie werden coronabedingt derzeit etwas weniger nachgefragt. Mit ihrer Auslastung könne man dennoch zufrieden sein, sagt Bürgermeister Koch. Die kurzen Strecken ins nahe Nastätten fallen wegen der Pandemie-Beschränkungen halt seltener an. In Zukunft sollen sie zumindest teilweise auch ganz ohne Auto umweltfreundlich und sicher zu bewältigen sein: Die Gemeinde arbeitet an einem Konzept für eine gute Radwege-Verbindung dorthin. Um Pedelecs, egal ob von Dorfbewohnern oder Touristen, bei Bedarf mit Sonnenstrom betanken zu können, wird eine Ladestation in privater Initiative gleich mitgeplant.

Attraktiv für junge Familien

Strüth war außerdem Gastgeber-Gemeinde zum Auftakt der „Wärme-Effizienz-Kampagne“, eines Modellprojekts der Energieagentur Rheinland-Pfalz. Es soll Hauseigentümer motivieren, veraltete Heizungsanlagen zu modernisieren bzw. fossil gespeiste durch regenerativ betriebene zu ersetzen. Als „eindrucksvolles Beispiel, wie eine kleine Ortsgemeinde durch geschickte Kopplung verschiedener Handlungsfelder und Einbindung vieler Akteure zur nachhaltigen Stärkung der Region beiträgt“, lobt Dr. Karl-Heinz Frieden, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes (GStB), dieses Engagement.

Für Klaus Steinbeck aus dem Gemeinderat ist „klar, dass eine Genossenschaft alleine nicht alles schaffen kann“. Die Leute im Dorf und darüber hinaus merkten aber zunehmend, dass sie aktiv werden müssten. „Die Zeichen sind deutlich“, setzt er hinzu, „die Fichten sind stehend tot im Wald.“  Das steigert die Motivation im Dorf – und der Zuspruch von außen: „Viele junge Familien ziehen her“, berichten Koch und Steinbeck. Die Werbung mit dem Slogan „Lebenswertes Strüth“ und der Darstellung der Klimaschutz-Aktivitäten wirke offenbar.

Ansprechpartner: Bürgermeister Heiko Koch ist erreichbar unter der Mail-Adresse kontakt@strüth.de